Spiegelbild Hund
- zumlorcheborn

- 23. Juli
- 4 Min. Lesezeit

Ein neugieriger Blick, ein zögerlicher Schritt nach vorn und plötzlich ein Bellen: Viele Hundehalter kennen diesen Moment, wenn ihr Vierbeiner zum ersten Mal sein Spiegelbild entdeckt. Für uns Menschen ist das ein alltäglicher Anblick. Für Hunde dagegen ein echtes Rätsel: Da bewegt sich jemand, sieht aus wie ein Hund riecht aber nach nichts und macht jede Bewegung exakt mit. Ob jung oder alt: Nicht wenige Hunde reagieren darauf mit Verwirrung, Spielaufforderung oder sogar echtem Misstrauen. Wir gehen dem Mysterium “Was sehen Hunde im Spiegel?” auf den Grund.
Was genau sehen Hunde im Spiegel eigentlich?
Bevor wir uns der großen Frage widmen, was Hunde im Spiegelbild erkennen, müssen wir erst klären, wie Hunde eigentlich sehen. Denn ihr Blick auf die Welt unterscheidet sich deutlich von unserem wortwörtlich.
Im passenden Beitrag haben wir ganz viele Informationen über das Sehvermögen von Hunden gesammelt. Hunde können Farben wahrnehmen, aber deutlich eingeschränkter als wir Menschen. Sie sehen hauptsächlich Blau und Gelbtöne, Rot und Grüntöne nehmen sie kaum wahr. Dazu kommt: Ihre Sehschärfe ist reduziert, besonders bei unbewegten Objekten. Ein unbewegtes Spiegelbild ist für viele Hunde also visuell kaum interessant. Eigentlich.
Denn entscheidend ist: Das Spiegelbild riecht nach nichts. Für Hunde, deren Welt stark über die Nase funktioniert, fehlt damit ein zentraler Hinweis. Ein Hund ohne Geruch? Das ergibt für sie keinen Sinn und ist dementsprechend entweder verwirrend oder total uninteressant.
Spannend wird es, wenn sich das Spiegelbild bewegt. Hunde nehmen Bewegungen besonders gut wahr und genau das kann das Spiegelbild in ihren Augen „lebendig“ erscheinen lassen. Es ist synchron, reagiert exakt auf jede Kopfbewegung und Körpersprache. Für manche Hunde ist das der Startschuss zur Spielaufforderung für andere ein Grund zum Bellen oder Rückzug.
Denkt der Hund, da ist ein anderer Hund im Spiegel?
Wenn Hunde sich selbst im Spiegel sehen, wirkt ihre Reaktion oft so, als stünden sie einem fremden Artgenossen gegenüber. Manche bellen, knurren oder weichen zurück. Andere wedeln aufgeregt mit dem Schwanz und fordern das Spiegelbild zum Spielen auf. Aber was denken sie wirklich halten sie ihr Spiegelbild für einen echten Hund?
In den meisten Fällen interpretieren Hunde das Spiegelbild nicht sofort als sich selbst, sondern eher als potenziellen Artgenossen zumindest visuell. Der entscheidende Unterschied: Dieser „Hund“ im Spiegel riecht nicht, klingt nicht und reagiert nicht normal. Er macht zwar alles synchron mit, aber nicht eigenständig. Gerade junge Hunde, die noch wenig Erfahrung mit ihrer Umwelt haben, zeigen oft besonders intensive Reaktionen: neugieriges Anstupsen, Spielaufforderungen oder auch Unsicherheit. Bei erwachsenen Hunden legt sich diese Reaktion meist schnell, spätestens, wenn sie merken, dass von dem Spiegelbild nichts Neues kommt.
Hunde lernen schnell: „Nicht echt“. Viele Hunde scheinen nach einigen Erfahrungen mit Spiegeln zu dem Schluss zu kommen: Das ist kein echter Hund. Sie ignorieren das Spiegelbild dann völlig. Dabei ist aber wichtig: Diese Ignoranz bedeutet nicht automatisch, dass sie sich selbst erkennen. Es kann auch einfach heißen: „Das Ding ist mir egal, weil es keine relevanten Reize bietet.“
Hunde analysieren ihre Umwelt nicht philosophisch sie handeln nach Reizen, Erfahrungen und Instinkt. Wenn das Spiegelbild keinen „hundetypischen“ Input liefert, verliert es seinen Reiz. Das heißt nicht, dass Hunde dumm oder oberflächlich wären, im Gegenteil. Es zeigt nur, wie stark ihre Wahrnehmung durch Geruch, Körpersprache und Reaktion geprägt ist.
Haben Hunde ein Ich-Bewusstsein?
Die Frage, ob Hunde ihr eigenes Spiegelbild erkennen, führt direkt zu einer viel grundsätzlicheren Überlegung: Besitzen Hunde ein Ich-Bewusstsein? Also die Fähigkeit, zwischen sich selbst und anderen zu unterscheiden und zu begreifen: Das bin ich?
Der Spiegeltest
In der Verhaltensforschung ist der sogenannte Spiegeltest (auch Gallup-Test) seit Jahrzehnten das Standardverfahren zur Messung von Selbsterkenntnis. Dabei wird ein Tier unbemerkt mit einem farbigen Punkt markiert z. B. auf der Stirn. Erkennt es sich im Spiegel, sollte es versuchen, die Markierung an sich selbst zu entfernen, etwa durch Kratzen oder Reiben.
Menschenkinder bestehen diesen Test meist ab einem Alter von etwa 18 bis 24 Monaten. Auch einige Tiere haben den Test bestanden, darunter Menschenaffen, Delfine, Elefanten und sogar Elstern.
Hunde dagegen bestehen ihn nicht. Sie reagieren meist gar nicht auf die Markierung oder zeigen keine Hinweise darauf, dass sie begreifen, dass das Spiegelbild sie selbst zeigt.
Der Sniff-Test
Immer mehr Forschende kritisieren, dass der klassische Spiegeltest visuell orientiert ist und damit vor allem für Tiere funktioniert, die stark über den Sehsinn wahrnehmen. Hunde aber orientieren sich primär über den Geruch. Wer sich also über die Nase erkennt, hat wenig Motivation, sein Spiegelbild zu analysieren – oder eine visuelle Markierung zu entfernen.
Ein spannender Ansatz stammt von der Tierverhaltensforscherin Alexandra Horowitz. In ihrem sogenannten Sniff Test of Self-Recognition zeigte sich, dass Hunde sehr wohl zwischen dem eigenen Urin und dem von anderen Hunden unterscheiden können – und sich für den Geruch fremder Hunde deutlich länger interessierten.
Das deutet auf eine gewisse Form von Selbstwahrnehmung hin nicht über den Spiegel, sondern über die eigene Geruchssignatur. Manche Forscher sprechen deshalb von einem nicht-visuellen Selbstkonzept.
Fazit zum Spiegelbild: Wer bellt denn da?
Ob irritiertes Bellen, spielerisches Hopsen oder völlige Gleichgültigkeit, das Verhalten von Hunden vor dem Spiegel ist so individuell wie sie selbst. Ihr Spiegelbild sehen sie zwar, aber sie verstehen es anders als wir: ohne Geruch, ohne Tiefe, ohne typische Reaktionen wirkt es auf sie wie ein visuell interessantes, aber seltsam lebloses Abbild.
Die meisten Hunde halten es vermutlich zunächst für einen anderen Hund zumindest kurz. Andere verlieren schnell das Interesse, weil keine hündischen Signale folgen. Und wieder andere haben einfach Spaß daran, mit ihrem gespiegelten Gegenüber zu interagieren.
Dass Hunde beim klassischen Spiegeltest durchfallen, sagt wenig über ihre Intelligenz oder ihre emotionale Tiefe aus. Im Gegenteil: Sie zeigen auf ihre Weise, wie differenziert und vielschichtig ihre Wahrnehmung ist nur eben nicht durch das Medium Spiegel, sondern durch andere Sinne wie Geruch, Bewegung und Körpersprache.
C. Kaul



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