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Warum Hunde manchmal lieber nichts tun. Die unterschätzte Kraft der Inhibition!

  • Autorenbild: zumlorcheborn
    zumlorcheborn
  • 14. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit
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Was steckt hinter dem bewussten Nichts Tun? Viele Hundehalter denken beim Training zuerst an Aktion: Sitz, Platz, Fuß, Rückruf. Alles Dinge, bei denen der Hund aktiv etwas tut. Doch ich möchte heute eine andere Seite beleuchten. Eine Seite, die mindestens genauso wertvoll ist und trotzdem oft übersehen wird, das Innehalten. Für mich ist das keine Faulheit, kein „der Hund macht eh nix“, sondern eine hochkomplexe Leistung des Nervensystems.

Was bedeutet Inhibition (Die Fähigkeit, impulsive Handlungen zu unterdrücken und stattdessen eine situationsangemessene Reaktion zu wählen. ) wirklich?

Wenn ich von Inhibition spreche, meine ich nicht ein stures Unterdrücken, sondern die Fähigkeit deines Hundes, einen Impuls bewusst nicht auszuleben. Neurobiologisch geht es um Hemmung also darum, dass das Gehirn eine Handlung stoppt oder verzögert.

Ein Beispiel:

Du willst ein Stück Schokolade essen, entscheidest dich aber dagegen. Dein Hund sieht einen Artgenossen und bleibt trotzdem an deiner Seite. Das ist Inhibition, das aktive Innehalten. Und genau hier liegt die Brücke zur Impulskontrolle.

Ich differenziere klar:

Impulskontrolle ist die Fähigkeit, Impulse flexibel zu steuern. Inhibition ist der konkrete Moment, in dem der Hund innehält und nicht handelt.

Die Biologie des Innehaltens

Im Gehirn ist dafür vor allem der präfrontale Cortex zuständig. Das ist ein Bereich, der für Planung, Steuerung und Selbstkontrolle verantwortlich ist. Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie helfen, Impulse auszubalancieren.

Wichtig zu verstehen: Innehalten kostet Energie.

So wie es für uns anstrengend ist, uns gegen ein starkes Verlangen zu entscheiden, ist es für Hunde ebenso fordernd. Selbstkontrolle ist keine unendliche Ressource. Wer einmal einen hungrigen Hund erlebt hat, der minutenlang aufs Freigabesignal wartet, weiß, wie viel innere Arbeit dahinter steckt.

Jeder Impuls, den ein Hund zurückhält, kostet ihn eine Murmel aus seinem inneren Glas. Wie viele Murmeln er zur Verfügung hat, hängt von Typ, Umwelt, Epigenetik und Aufzucht ab. Je mehr Impulse er hemmen muss, desto schneller leert sich das Glas und wenn es leer ist, reicht ein kleiner Auslöser, damit er ‚explodiert‘.

Alltagsbeispiele für Inhibition

Dein Hund nimmt Wildgeruch wahr, spitzt die Nase und bleibt am Weg. Er sieht dich essen und wartet, bis du ihm etwas gibst. Es klingelt an der Tür, er spannt kurz an, entscheidet sich aber, nicht los zu bellen. Von außen sieht es oft unspektakulär aus. Doch in Wirklichkeit arbeitet das Gehirn deines Hundes auf Hochtouren.

Warum Innehalten so oft unterschätzt wird

Viele Menschen sehen nur: „Der Hund macht nichts. “Für mich ist das Gegenteil der Fall. In solchen Momenten passiert sehr viel nämlich eine bewusste Entscheidung gegen Handlung. Das ist mindestens so anspruchsvoll wie ein „Sitz“ oder „Platz“ auf Signal.

Mein Zugang zur Impulskontrolle

Ich grenze mich bewusst von den typischen „Impulskontrollspielen“ ab, die Hunde künstlich frustrieren oder Reize unnötig hochfahren. Solche Übungen verbrauchen wertvolle innere Ressourcen ohne, dass der Hund wirklich lernt, sinnvoll mit seiner Umwelt umzugehen.

Echte Impulskontrolle entsteht für mich durch:

Kooperation: Dein Hund versteht, dass er nicht alles allein regeln muss.

Sicherheit: Er kann sich auf dich verlassen und findet dadurch innere Ruhe.

Emotionsarbeit: Er lernt, Gefühle einzuordnen und nicht in Überreaktionen zu kippen. So entsteht ein Hund, der nicht durch Zwang „stillhält“, sondern aus eigener Balance innehält.

Impulskontrolle neu gedacht

In vielen Trainingsbüchern oder Kursen wird Impulskontrolle wie ein „Muskel“ dargestellt, den man durch ständige Übungen stärken müsse. Der Hund soll vor dem Napf warten, Bälle ignorieren oder Kekse auf den Pfoten aushalten. Doch genau das führt in der Praxis oft dazu, dass Hunde ihre wenigen Murmeln viel zu schnell verbrauchen. Sie funktionieren im Training, aber im Alltag explodieren sie dann bei Kleinigkeiten, weil das Glas längst leer ist.

Mein Zugang ist ein anderer: Impulskontrolle darf kein Dauerfrust sein, sondern entsteht als Nebeneffekt von Sicherheit und Beziehung. Wenn dein Hund versteht, dass er nicht jeden Reiz alleine bewältigen muss, sondern sich auf dich verlassen kann, spart er Murmeln. Und wenn er gleichzeitig die Möglichkeit bekommt, seine Emotionen auszudrücken und zu regulieren, baut er innere Stabilität auf. So wird Innehalten nicht zu einer Zwangsleistung, sondern zu einer echten Kompetenz. Getragen von Vertrauen, Kooperation und innerer Balance.

Wie kannst du das im Alltag nutzen?

Vielleicht fragst du dich jetzt: „Aber wie soll mein Hund das lernen, wenn ich keine klassischen Impulskontrollübungen mache?“

Die Antwort ist einfacher, als viele denken und beginnt nicht am Napf oder mit Keksen auf der Pfote, sondern im ganz normalen Alltag.

Ruhige Routinen schaffen: Hunde profitieren von Vorhersagbarkeit. Wenn sie wissen, dass gewisse Abläufe immer ähnlich passieren (z. B. Anleinen, Fütterung, Spaziergang), brauchen sie weniger Energie, um sich zu regulieren.

Orientierung fördern: Richte deine Aufmerksamkeit bewusst auf Momente, in denen dein Hund von sich aus innehält oder dich ansieht, statt in den Reiz zu gehen. Verstärke genau diese Augenblicke mit Nähe, Stimme oder einem kleinen Signal.

Emotionen zulassen: Anstatt Frustspiele zu machen, darf dein Hund Gefühle ausdrücken er darf aufgeregt sein, darf bellen. Du hilfst ihm dabei, wieder runterzukommen, statt ihn starr „ruhig zu stellen“.

Kooperation üben: Baue kleine Alltagssituationen ein, bei denen dein Hund merkt: „Wenn ich auf meinen Menschen schaue, geht es leichter.“ Zum Beispiel beim Türöffnen, beim Einsteigen ins Auto oder wenn ihr Besuch bekommt.

So entsteht Impulskontrolle nicht durch aufgedrückte Hemmung, sondern durch gemeinsames Erleben von Sicherheit und Ruhe. Dein Hund lernt, innezuhalten, weil es sich lohnt und nicht nur, weil er es muss. Die feine Grenze: Innehalten oder Hilflosigkeit?

Es ist wichtig, Inhibition nicht mit erlernter Hilflosigkeit zu verwechseln. Aktives Innehalten erkennst du an wachem Blick, gespannter Körperhaltung und der Bereitschaft, jederzeit wieder in Bewegung zu gehen. Hilflosigkeit wirkt dagegen eingefroren, ohne Optionen, ohne Energie. Genau deshalb ist Beobachten so entscheidend. Körpersprache zeigt dir, ob dein Hund gerade bewusst innehält oder ob er in einer Sackgasse steckt.

Fazit

Innehalten ist kein „Nichtstun“. Es ist eine Meisterleistung des Gehirns. Wenn dein Hund in einer Situation innehält, statt loszulegen, verdient das genauso viel Anerkennung wie ein perfekt ausgeführtes Signal. Deine Einladung zum Perspektivenwechsel. Schau beim nächsten Spaziergang ganz bewusst auf die Momente, in denen dein Hund inne hält. Vielleicht entdeckst du, dass gerade diese stillen Augenblicke seine größte Stärke zeigen und dass Training manchmal genau dann am wertvollsten ist, wenn scheinbar nichts passiert.

Dein nächster Schritt

Wenn dich dieser Beitrag berührt hat, dann weißt du: Hundeerziehung hat nichts mit schnellen Tricks und Show-Effekten zu tun, sondern mit echter Bindung, Geduld und Wissen.

In unserem Beitrag lernst du nicht nur Methoden, sondern verstehst auch die biologischen, psychologischen und sozialen Zusammenhänge hinter dem Verhalten von Hunden. Du lernst, über den Tellerrand hinauszublicken und Hunde so zu begleiten, dass Veränderung nachhaltig wird. OHNE Abkürzungen, ohne Blocken, ohne leere Versprechen.


C. Kaul


P.S. Wir lernen nie aus und es gibt viele Wege, aber die Bindung zu unseren Hunden und ihr wohl befinden sollte für uns immer an erster Stelle stehen!!

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