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Was ist das Shank3-Gen?

  • Autorenbild: zumlorcheborn
    zumlorcheborn
  • 22. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Okt.

Junger Beagle-Welpe in den Armen gehalten.

Manche Hunde wirken zurückhaltend, vermeiden Augenkontakt und tun sich schwer damit, Gesichter zu lesen. Zufall oder steckt mehr dahinter? Eine wissenschaftliche Studie liefert spannende Hinweise darauf, dass genetische Veränderungen bei Hunden tatsächlich Autismus ähnliche Verhaltensmuster hervorrufen können. Besonders im Fokus: das sogenannte Shank3-Gen, das auch beim Menschen eng mit Autismus-Spektrum-Störungen verbunden ist. Klingt technisch? Ist es auch aber gleichzeitig hochaktuell und relevant. Denn diese Forschung zeigt, wie eng Genetik, Sozialverhalten und Tier-Mensch-Beziehung miteinander verflochten sind.

Was ist das Shank3-Gen?

Das Shank3-Gen ist ein Gen, das eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Synapsen im Gehirn spielt also dort, wo Nervenzellen miteinander kommunizieren.

Mutationen in diesem Gen sind beim Menschen stark mit Autismus Spektrum Störungen (ASS) assoziiert. Besonders häufig treten sie beim sogenannten Phelan-Mc Dermid Syndrom auf, einer genetisch bedingten Form von Autismus.

Die Funktion des Shank3-Gens ist damit für die soziale Wahrnehmung, Reizverarbeitung und Kommunikation essenziell bei Mensch und Tier.

Relevanz bei Hunden

Auch bei Hunden kommt das Shank3-Gen vor. Und weil Hunde schon seit vielen Jahren in der Verhaltensforschung eingesetzt werden nicht zuletzt wegen ihrer Nähe zum Menschen lag es nahe, zu untersuchen, ob eine Mutation dieses Gens beim Hund ähnliche Auswirkungen haben könnte wie beim Menschen.

Genau hier setzte eine Studie an: „Autismus ähnliche, atypische Gesichtsverarbeitung bei Hunden mit Shank3-Mutation“, veröffentlicht am 2. April 2025 in der Fachzeitschrift Science Advances.

Die Forschenden wollten herausfinden, wie sich eine gezielte genetische Mutation im Shank3-Gen auf die soziale Wahrnehmung bei Hunden auswirkt insbesondere auf ihre Fähigkeit, Gesichter zu erkennen und zu interpretieren.

Studienaufbau

Es wurden Beagle mit einer gezielten Shank3-Mutation anhand folgender Methoden untersucht:

Eye-Tracking (Blickverhalten bei der Betrachtung von Gesichtern)

Verhaltenstests (soziale Reaktion auf Menschen)

Messungen der Hirnaktivität

Zum Vergleich gab es außerdem eine Kontrollgruppe ohne diese Mutation.

Kernergebnisse

Die Hunde mit Shank3-Mutation zeigten eine geringere Aufmerksamkeit für Gesichter, insbesondere für die Augenregion.

Die Reaktion des Gehirns auf gesichtsspezifische Reize war verzögert.

Es fiel ihnen schwerer, Gesichter voneinander zu unterscheiden.

Das Verhalten ähnelte damit in bestimmten Aspekten dem, was man auch bei autistischen Menschen beobachtet.

Die Studie unterstreicht damit, dass das Shank3-Gen eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung sozialer Informationen spielt speziesübergreifend.

Diese Erkenntnisse könnten weitreichende Folgen haben nicht nur für die Hundeverhaltensforschung, sondern auch für die Humanmedizin:

Hunde mit Shank3-Mutation könnten künftig als Tiermodell für bestimmte Aspekte des Autismus dienen. Das ermöglicht neue Forschungsansätze zu neurobiologischen Ursachen, Diagnosemethoden und Therapieformen. Da Hunde in ihrem Verhalten sehr eng mit dem Menschen interagieren, lassen sich viele Ergebnisse lebensnäher beobachten als z. B. bei Mäusen.

Wichtig: Die Studie will keinen direkten Vergleich zwischen Hunden und Menschen ziehen, sondern bestimmte neurobiologische Prozesse besser verstehen helfen.

Und der Tierschutz? Eine notwendige Einordnung

So spannend und vielversprechend die Ergebnisse dieser Studie auch sind der Weg dorthin ist nicht frei von Kritik. Denn um die Auswirkungen der Shank3-Mutation zu untersuchen, wurden die betroffenen Hunde gezielt genetisch verändert also mit einer Mutation im Shank3-Gen gezüchtet, um entsprechende Auffälligkeiten zu beobachten.

Aus Tierschutzsicht ist das ein hoch sensibles Thema. Solche Versuchsansätze werfen ethische Fragen auf: Ist es vertretbar, Tiere absichtlich mit einer genetischen Störung zu versehen selbst wenn sie der Forschung dienen? Wie wurde mit den betroffenen Hunden im Versuchsverlauf umgegangen? Welche Lebensqualität hatten oder haben sie auch nach der Studie?

Auch wenn tierexperimentelle Forschung in vielen Ländern gesetzlich geregelt und genehmigungspflichtig ist, bleibt der Einsatz von Lebewesen für genetische Modellversuche umstritten – insbesondere dann, wenn das Leiden der Tiere Bestandteil des Erkenntnisgewinns ist.

Für Hundehalter und Tierschützer ist es umso wichtiger, diese Erkenntnisse nicht unreflektiert zu feiern, sondern sie im Licht der ethischen Verantwortung zu betrachten, die wir allen Tieren gegenüber haben.

Wie Hundeverhalten helfen kann, den Menschen besser zu verstehen

Auf den ersten Blick scheint das Thema vielleicht „akademisch“. Aber auch für Hundehalter kann es spannende Perspektiven eröffnen:

Es zeigt, wie genetische Faktoren das Verhalten eines Hundes beeinflussen können auch auf einer sozialen Ebene.

Wenn ein Hund z. B. Menschen meidet, keinen Augenkontakt sucht oder „sozial distanziert“ wirkt, ist das nicht unbedingt Erziehungsfehler – sondern kann tiefer liegende Ursachen haben.

Auch im Bereich der tiergestützten Therapie könnten solche Erkenntnisse helfen, gezielter zu entscheiden, welche Hunde geeignet sind und welche nicht.

Schließlich verdeutlicht die Forschung auch, wie ähnlich Hunde und Menschen in manchen biologischen Prozessen tatsächlich sind.

Die Studie zum Shank3-Gen bei Hunden zeigt eindrucksvoll, dass unsere vierbeinigen Begleiter nicht nur treue Freunde sind sondern auch wertvolle Partner in der Wissenschaft. Ihre Nähe zum Menschen macht sie zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Verhaltensforschung, Genetik und Medizin.

Und auch wenn solche genetischen Mutationen im Alltag wohl kaum diagnostiziert werden, lohnt es sich doch, das Verhalten eines Hundes immer auch mit Mitgefühl und Offenheit zu betrachten besonders dann, wenn er nicht dem „sozialen Idealbild“ entspricht.


C. Kaul


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