Tiere als Sachen und fühlende Wesen? Was Gesetze wirklich sagen!
- zumlorcheborn

- 13. Okt.
- 5 Min. Lesezeit

In den letzten Monaten tauchen auf Facebook und Instagram immer wieder Posts auf, die behaupten: „In Spanien gelten Tiere nicht mehr als Sachen, sondern als fühlende Wesen.“ Viele teilen diese Meldung mit Staunen, fast so, als sei das eine völlig neue und revolutionäre Entwicklung. Währenddessen hält sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz offenbar hartnäckig der Irrglaube, dass hierzulande Tiere als “Sachen” gelten würden. In der Realität kommt es immer wieder zu Missverständnissen, weil das Recht Tiere in vielen praktischen Fällen ähnlich wie Gegenstände behandelt. Ein Widerspruch, der für Verwirrung sorgt. Deshalb schauen wir uns an, was die Gesetze tatsächlich über den Stellenwert von Tieren sagen.
Der Aufhänger: Spanien definiert Tiere im Zivilgesetzbuch neu
Viele Social-Media-Posts lassen es so wirken, als sei es gerade erst passiert: „In Spanien gelten Tiere nicht mehr als Sachen, sondern als fühlende Wesen.“ Tatsächlich trat die Gesetzesänderung bereits im Jahr 2022 in Kraft, ein klassischer Fall von Mandela Effekt. Es klang so, als dass das eine ganz neue Reform sei.
Mit der Änderung im spanischen Zivilrecht werden Tiere nun ausdrücklich als fühlende Lebewesen anerkannt. Das bedeutet, dass bei Rechtsstreitigkeiten nicht mehr nur das Eigentum, sondern auch das Wohlergehen des Tieres berücksichtigt wird. So kann ein Gericht beispielsweise im Falle einer Scheidung entscheiden, bei welchem Partner ein Hund oder eine Katze besser aufgehoben ist. Auch im Erbrecht oder bei Pfändungen sind Haustiere heute besonders geschützt.
Damit folgt Spanien dem europäischen Trend, Tiere nicht länger auf die Stufe von Sachen zu stellen, sondern ihrem besonderen Status als Lebewesen mit Empfindungen rechtlich Rechnung zu tragen.
Tiere als Sachen? Was die Gesetze heute sagen
Nach der Reform in Spanien fragen sich viele Leser, wie Tiere eigentlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz rechtlich eingestuft werden.
Entgegen dem verbreiteten Irrglauben gelten Tiere in diesen Ländern schon länger nicht mehr als Sachen.
Gleichzeitig werden sie in vielen praktischen Bereichen, etwa bei Eigentum, Kauf, Schadenersatz oder Scheidungen, nach wie vor ähnlich wie Gegenstände behandelt. Dieser „Doppelstatus“ ist der Grund für die anhaltende Verwirrung und erklärt, warum (vor allem in Social Media) oft der Eindruck entsteht, Tiere würden noch als Sachen gelten.
Die folgende Tabelle gibt einen kompakten Überblick über die gesetzlichen Regelungen in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz.
Land | Gesetzestext (Auszug) | Kernaussage | Praktische Konsequenz |
Deutschland | § 90a BGB: „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist.“ | Tiere sind keine Sachen, aber wo kein spezielles Gesetz greift, gelten die Regeln für Sachen. | Kauf, Verkauf, Schenkung von Tieren = nach Sachenrecht möglich- Schadenersatz wie bei Sachen, aber z. B. Heilungskosten über Sachwert- Bei Scheidung: Gericht entscheidet nach Tierwohl |
Schweiz | Art. 641a ZGB: „Tiere sind keine Sachen. Soweit für Tiere keine besonderen Bestimmungen bestehen, gelten für sie die auf Sachen anwendbaren Vorschriften.“ | Tiere sind keine Sachen, haben Sonderstatus; Sachenrecht gilt nur subsidiär. | – Eigentumskonflikte (z. B. Scheidung): Zuteilung nach Tierwohl, Tierschutzgesetz verlangt artgerechte Haltung- Schadenersatz: Heilungskosten auch über Sachwert |
Österreich | § 285a ABGB: „Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.“ | Tiere sind keine Sachen, werden aber ähnlich behandelt, solange kein spezielles Gesetz eingreift. | Eigentum und Besitz fragen: Sachenrecht gilt mit Einschränkungen- Schadenersatz: Heilungskosten über Sachwert hinaus möglich- Bei Scheidung: Zuteilung orientiert sich am Tierwohl |
Tipp: Die „praktische Konsequenz“ Spalte ist besonders wichtig, weil sie Lesern zeigt, warum der Irrglaube von „Tiere als Sachen“ immer noch existiert, obwohl es rechtlich längst anders geregelt ist.
Historische Hintergründe: Tiere als Sachen im Recht
Der Glaube, Tiere würden noch immer wie Sachen behandelt, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, historisch gesehen war das tatsächlich so.
Über Jahrhunderte galten Tiere im Zivilrecht als bewegliche Sachen, vergleichbar mit Möbeln oder Werkzeugen. Dies hatte vor allem praktische Gründe. Einheitliche Regeln für Kauf, Verkauf, Erbschaften oder Schadenersatz machten das Rechtssystem einfacher handhabbar.
Mit der zunehmenden Sensibilisierung für Tierschutz und Tierwohl änderte sich diese rechtliche Sichtweise,
Deutschland erkannte 1990 im BGB § 90a, dass Tiere keine Sachen sind, und regelte den Schutz durch spezielle Gesetze.
Schweiz machte mit Art. 641a ZGB 2003 klar: Tiere sind keine Sachen und haben einen Sonderstatus.
Österreich führte im Jahr 1988 § 285a ABGB ein, der Tiere ebenfalls als keine Sachen definiert und durch besondere Gesetze schützt.
Trotz dieser klaren gesetzlichen Regelungen wird der alte Gedanke, Tiere seien „nur Sachen“, oft weitergetragen, ein klassischer Mandela Effekt. Menschen erinnern sich an frühere rechtliche Formulierungen oder übertragen die praktische Anwendung des Sachenrechts auf die heutige Situation. So entstehen die hartnäckigen Irrglauben, die in Social Media häufig auftauchen.
Doppelstatus: Keine Sachen, aber doch wie Sachen behandelt?
Obwohl Tiere in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesetzlich keine Sachen mehr sind, werden sie in vielen praktischen Situationen nach wie vor ähnlich behandelt wie Gegenstände. Dieser „Doppelstatus“ sorgt zusätzlich für die Verwirrung.
Tiere als Sachen bei Eigentum und Besitz
Hunde, Katzen oder andere Haustiere können rechtlich einer Person gehören. Das bedeutet: Kauf, Verkauf, Schenkung oder Diebstahl richten sich nach den Vorschriften des Eigentumsrechts, das ursprünglich für Sachen formuliert wurde. Ohne diese Formulierung wäre es schwer, klare Regeln für Besitz und Eigentum zu schaffen.
Tiere als Sachen im Falle von Schadenersatz
Wenn ein Tier verletzt wird oder einen Schaden verursacht, greifen oft die sachenrechtlichen Regeln. Beispiel: Wird ein Hund angefahren, kann der Halter die Heilungskosten ersetzt bekommen, die in der Praxis oft über dem „Sachwert“ des Tieres liegen. Auch Haftpflichtfälle (Hund beißt Nachbar) fallen unter diese Logik.
Tiere als Sachen bei Scheidung und Erbschaften
Bei Trennung oder Tod des Halters wird der Besitz an Tieren ebenfalls geregelt. Anders als bei Sachen entscheidet hier jedoch das Wohl des Tieres über die Zuteilung. Die gesetzlichen Sonderregelungen sorgen dafür, dass Tiere nicht einfach nach materiellem Wert verteilt werden.
Versicherungen und Pflichten
Auch Versicherungen und andere rechtliche Regelungen (z. B. Haftpflicht, Meldepflichten) behandeln Tiere ähnlich wie Sachen, allerdings mit Besonderheiten, die ihren Status als fühlende Wesen berücksichtigen.
Fazit zum rechtlichen Doppelstatus
Tiere sind rechtlich keine Sachen, aber viele praktische Bereiche des Zivilrechts übernehmen noch Regeln, die ursprünglich für Sachen formuliert wurden.
Dieser Widerspruch ist die Quelle des hartnäckigen Irrglaubens, dass Tiere hierzulande immer noch Sachen seien.
Tiere als Sachen, auf den Punkt gebracht
Der Vergleich zeigt deutlich: Tiere sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz rechtlich gesehen keine Sachen, auch wenn viele Social-Media-Posts und Kommentare den gegenteiligen Eindruck vermitteln. Der Grund für diesen hartnäckigen Irrglauben liegt in der Praxis: Tiere werden in vielen Situationen wie Gegenstände behandelt, zum Beispiel bei Eigentum, Schadenersatz oder Versicherungen. Gleichzeitig zeigen die Reformen, etwa in Spanien oder die bereits seit Jahren geltenden Sonderregelungen in der DACH-Region, dass der rechtliche Status von Tieren zunehmend auf ihr Wohl und ihre Empfindungsfähigkeit ausgerichtet ist. Tiere werden nicht mehr als „Sachen“ gesehen, sondern als Lebewesen, deren Schutz gesetzlich verankert ist.
Für Hundehalter, Katzenliebhaber und alle Tierfreunde bedeutet das: Es lohnt sich, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu kennen. So lassen sich Missverständnisse vermeiden, die aus dem Doppelstatus von Tieren entstehen, und man kann rechtliche Fragen rund um Kauf, Erbe oder Haftung souverän einordnen.
C. Kaul



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